Scunthorpe Sans: Die Schriftart mit eingebautem digitalem Seifenspender
Stellen Sie sich vor, Sie tippen einen Text, und plötzlich verwandeln sich alle unanständigen Wörter wie von Zauberhand in schicke schwarze Balken – ohne dass Sie auch nur einen Finger krümmen müssen. Willkommen in der Welt von Scunthorpe Sans, der wohl ersten Schriftart mit integriertem Waschmittel für schmutzige Sprache!
Diese typografische Innovation kombiniert Humor mit technischem Know-how, indem sie Kraftausdrücke wie f***, s*** oder p*** automatisch zensiert – allerdings mit einer charmanten Ausnahme: Der englische Stadtname Scunthorpe bleibt verschont, denn wie die Schöpfer betonen, „hat diese Stadt genug gelitten“. Der Name der Schrift ist eine Hommage an das berüchtigte Scunthorpe-Problem, bei dem Filteralgorithmen unschuldige Begriffe blockieren, nur weil sie zufällig anstößige Buchstabenkombinationen enthalten. Während solche Systeme oft scheitern, demonstriert Scunthorpe Sans, wie man Zensur mit typografischer Eleganz und einer Prise Selbstironie meistert.
OpenType: Das Schweizer Taschenmesser der digitalen Typografie
OpenType, ein gemeinsam von Microsoft und Adobe entwickeltes Schriftformat, revolutioniert seit seiner Einführung im Jahr 1996 die digitale Typografie. Im Gegensatz zu älteren Formaten vereint OpenType plattformübergreifende Kompatibilität mit einem Zeichenvorrat von bis zu 65.000 Glyphen in einer einzigen Datei. Dies ermöglicht nicht nur die Darstellung komplexer Schriftsysteme, sondern auch erweiterte typografische Funktionen – von Ligaturen und Kapitälchen bis hin zu kontextsensitiven Zeichenersetzungen.
Vertiefende Erklärungen zu OpenType finden sich auf typografie.info, Typography Nerd sowie im Typetype-Blog. Auch Adobe liefert mit seiner Feature-Dokumentation hilfreiche Praxisbeispiele.
Die Magie der Discretionary Ligatures (dlig)
Das Herzstück von Scunthorpe Sans liegt in der unkonventionellen Anwendung des dlig-Features (Discretionary Ligatures), das üblicherweise dekorative Buchstabenverbindungen wie ct oder st erlaubt. In diesem Fall jedoch ersetzt es Hunderte von Schimpfwörtern durch schwarze Rechtecke.
Die technischen Grundlagen dafür liefert die Microsoft-Spezifikation für OpenType-Features. Sie beschreibt, wie mittels chained context lookups bestimmte Zeichenketten erkannt und dynamisch ersetzt werden können – je nach Kontext.
Weitere anschauliche Beispiele zu Ligaturen gibt es auf TypeNetwork und in diesem CreativePro-Artikel.
Eine besonders raffinierte Ausnahme definiert die Schriftart für das Wort Scunthorpe: Trotz des enthaltenen Substrings „cunt“ wird dieses nicht zensiert. Möglich macht das eine kontextsensitive Regelung, wie sie auch bei der Glyphen-Engine HarfBuzz thematisiert wird.
Vom Scherz zur technischen Meisterleistung
Was wie ein Gag beginnt, ist in Wahrheit ein gelungenes Beispiel für das Potenzial moderner Typografie. Der humorvolle Ursprung dieses Fonts veranschaulicht, wie sich kreative Lösungen mit technologischer Tiefe verbinden lassen – ein Thema, das auch ilovetypography.com beleuchtet.